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Die Frage, was Hunde essen sollten, wird in Foren und sozialen Netzwerken hitzig diskutiert. Dieser Artikel bündelt die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Ernährung Hunde und liefert einen praxisnahen Leitfaden für Halterinnen und Halter – ohne Ernährungsberatung im engeren Sinne. Ziel ist es, Verständnis für den Stoffwechsel des Hundes zu schaffen, verschiedene Fütterungsmodelle sachlich einzuordnen und Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Lebensphasen abzuleiten.

Evolution & Physiologie des Hundes
Nährstoffbedarf laut FEDIAF & NRC
Fütterungsarten im Vergleich (Trocken, Nass, BARF, Gekocht, Therapeutische Diäten)
Lebensphasen‐Ernährung: Welpe, Adult Aktiv, Senior, Übergewicht
„Was Hunde essen dürfen“ – Forschung & Praxis
Übergangsmanagement: Futterumstellung richtig gestalten
Häufige Ernährungsmythen unter der Lupe
Anzeichen für Nährstoffmängel oder ‑überschüsse
Wann ist Fachberatung sinnvoll?

Evolution & Physiologie des Hundes

Vom Wolf zum Haushund

  • Domestikation begann vor etwa 15.000–40.000 Jahren; genetische Analysen zeigen eine Anpassung an stärkehaltige Nahrung (Amy2B‑Gen‑Vervielfachung).
  • Moderne Hunde können Kohlenhydrate im Dünndarm effizient verdauen – ein zentraler Unterschied zum Wolf.

Verdauungstrakt & Stoffwechsel

AbschnittBesonderheiten
MagenpH 1–2 im Fastenzustand; hohe Protease‑Aktivität (Pepsin)
DünndarmRelativ kurz (≈3,2× Körperlänge); Amylase, Lipase, Proteasen
DickdarmGärung unverdaulicher Fasern; Produktion kurz­kettiger Fettsäuren (Butyrat, Propionat)

Energiegewinnung: Hunde nutzen primär Fette und – bei hoher Belastung – Kohlenhydrate; Proteine dienen v. a. als Baustoff, können aber bei Mangel als Energiequelle herangezogen werden.

Nährstoffbedarf laut FEDIAF & NRC

Die in Europa maßgeblichen FEDIAF‑Guidelines (2023) sowie die NRC‑Empfehlungen (National Research Council, 2006 aktualisiert 2022) definieren Mindest‑ und Optimalwerte für Makro‑ und Mikronährstoffe.

NährstoffMindestbedarf*Bemerkung
Protein18 % (Adult) / 22,5 % (Welpe)essenzielle Aminosäuren (v. a. Arginin, Lysin)
Fett5,5 % (Adult) / 8,5 % (Welpe)liefert fettlösliche Vitamine, Linolsäure
Kohlenhydratekein Mindestwert, aber >1,1 g Glukose‑Äquivalente/kg KG, v. a. für Gehirn
Calcium0,5 g/1000 kcal (Adult) / 1,0 g/1000 kcal (Welpe)Verhältnis Ca:P ≈ 1,2:1
Vitamin D0,75 µg/1000 kcalüberdosierung kritisch (Hyperkalzämie)

*bezogen auf Trockenmasse; Werte gerundet.

Fütterungsarten im Vergleich

Kommerzielle Alleinfutter (Trocken & Nass)

  • Vorteile: Rechtlich verpflichtet, alle Nährstoffe bedarfsdeckend bereitzustellen; gute Studienlage zur Verdaulichkeit.
  • Nachteile: Qualität schwankt; Nassfutter kann Zahnbelag begünstigen.

BARF (Biologically Appropriate Raw Food)

ProContra
artnahe Komponenten, sensorisch ansprechendRisiko mikrobieller Kontamination (Campylobacter, Salmonella)
individuelle AnpassungBedarfsgerechte Mineralstoff‑Supplemente erforderlich
geringerer StärkeanteilZoonose‑Gefahr für Menschen im Haushalt

Zahlreiche Studien (z. B. Freeman et al., 2013) zeigen chronische Unter‑ bzw. Überversorgungen bei nicht supplementierten BARF‑Rationen.

Selbstgekochte Rationen

Geeignet bei Allergien oder gastro‑intestinalen Erkrankungen. Erfordern exakte Rationsberechnung; sonst Calcium‑ und Spurenelementdefizite.

Therapeutische Diäten

Evidenzbasierte Diätnahrungen (Niere, Leber, Struvit) reduzieren Progression spezifischer Erkrankungen. Nur in Absprache mit Tierärzt*innen.

Lebensphasen‑Ernährung

Welpen (0–12 Monate)

  • Energiebedarf bis zu 3 × Erhaltungsbedarf.
  • Ca**:P**** ≈ 1,2:1**; zu viel Calcium → Osteochondrose‑Risiko.
  • Mehrere kleine Mahlzeiten (3–4/Tag) für stabile Glukosewerte.

Adulte aktive Hunde

  • Leistungsstoffe: Fett 15–20 % (β‑Oxidation als Hauptweg bei Ausdauer).
  • Glycogen‑Sparing: moderate Kohlenhydratgaben vor intensiven Einheiten.
  • Erhöhter Bedarf an Antioxidanzien (Vitamin E, Selen).

Senioren (≈ ≥8 Jahre, rassespezifisch)

  • Reduzierter Kalorienbedarf (−15 %), aber hochwertiges Protein (≥20 %) zur Sarcopenie‑Prophylaxe.
  • Zugabe Omega‑3‑FS (EPA/DHA) zur Entzündungsmodulation.
  • Verdaulichkeitsoptimierte Fasern (MOS, FOS) unterstützen Darmflora.

Übergewichtige Hunde

  • Erhaltungsenergie nach RER = 70 × KG^0,75 ansetzen, dann 60–80 % RER.
  • Proteinbetonte, fettreduzierte Diäten, hoher Rohfaseranteil (>10 %) für Sättigung.
  • Wöchentliches Wiegen & BCS (Body Condition Score) dokumentieren.

„Was Hunde essen dürfen“ – Forschung & PraxisTabu‐Lebensmittel (toxisch)

LebensmittelUrsacheEffekt
Schokolade/KakaoTheobrominHerzrhythmusstörungen
Trauben/Rosinenunklar (Weinacid?)akutes Nierenversagen
Zwiebeln/KnoblauchThiosulfatehämolytische Anämie
XylitInsulinfreisetzungHypoglykämie, Leberversagen
Macadamia‑NüsseunbekanntTremor, Hyperthermie

Gut verträgliche Snacks in Maßen

Gekochte Karotten, Kürbis, Süßkartoffel, ungesalzene Gurke, mageres Geflügel. Richtwert: Snacks ≤10 % der Tagesenergie.

Übergangsmanagement: Futterumstellung

  • 7‑Tage‑Schema: 25 % neues Futter täglich plus 25 % weniger altes.
  • Probiotika (Enterococcus faecium DSM 10663) können Transitdurchfall reduzieren.
  • Wasserbedarf steigt bei Trockenfutter‑Umstellung um ≈ 30 % – stets frisches Wasser bereitstellen.

Häufige Ernährungsmythen

  1. „Getreidefrei ist immer besser.“ – Keine Evidenz für generellen Vorteil; bei DCM‑Fällen mit exotischen Leguminosen sogar Risiko.
  2. „Hoher Proteingehalt schädigt die Niere.“ – Bei gesunden Hunden nicht belegt; Proteinqualität entscheidend.
  3. „Rohes Fleisch ist natürlicher.“ – Ja, aber erhöhte Keimbelastung; hitzeinaktivierte Knochen splittern weniger.

Anzeichen für Nährstoffimbalancen

  • Stumpfes Fell, Schuppen (Fett‑ und Zinkmangel)
  • Gewichtsverlust trotz Futteraufnahme (Malabsorption, Parasiten)
  • Muskelschwund im Alter (Proteinunterversorgung)
  • Hyperkeratose Ballen (Vitamin‑A‑Mangel)

Bei länger anhaltenden Symptomen tierärztliche Diagnostik anstreben.

Wann ist Fachberatung sinnvoll?

Obwohl dieser Artikel evidenzbasierte Informationen bietet, ersetzt er keine individuelle Diagnose. Fachliche Ernährungsberatung – vorzugsweise bei Tierärztinnen mit Zusatzausbildung oder zertifizierten Ernährungsberaterinnen – ist ratsam bei:

  • komplexen Erkrankungen (chronische Niereninsuffizienz, Pankreatitis)
  • multiplen Allergien/Unverträglichkeiten
  • Leistungshunden (Sport, Dienst)

Hinweis

Wir stellen keine Ernährungsberatung zur Verfügung und empfehlen, bei Unsicherheiten professionelle Hilfe einzuholen.

Wie oft soll ich meinen Hund füttern?

  • Welpen 3–4×, adulte Hunde 1–2×/Tag; wichtig ist eine konstante Gesamtenergiezufuhr.

Ist Rohfütterung gefährlich?

  • Richtig geplant kann BARF funktionieren, aber Hygienemaßnahmen und Mineralstoffsupplemente sind zwingend.

Braucht jeder Hund Supplemente?

  • Bei Alleinfuttern nein; bei Hausrezepten fast immer (v. a. Calcium, Vitamin D, Zink).

Zusammenfassung

Eine ausgewogene Ernährung Hunde basiert auf wissenschaftlich definierten Nährstoffprofilen. Entscheidend sind Lebensphase, Aktivitätsgrad und gesundheitlicher Status. Wer die Grundlagen versteht, kann fundierte Entscheidungen treffen – ob Komplette Alleinfutter, BARF oder Selbstkochen. Bei spezifischen Fragen empfiehlt sich eine qualifizierte Ernährung

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